Warum eine Anleitung zum nachhaltigen Bauen?

Mit dem heutigen Wissensstand der Menschheit in Bezug auf planetare Grenzen, weltweit gesellschaftliche Ungleichheiten und wirtschaftliche Risiken, sollte und dürfte es eigentlich nicht mehr möglich sein, „nicht nachhaltig“ zu bauen. Warum also ein Wissensportal für „nachhaltiges“ Bauen und Renovieren, und nicht eins für „schönes“ Bauen oder „modernes“ Bauen, welche implizit nachhaltig sind?

Der Teufel steckt im Detail, oder besser in der Komplexität der Sache. Der Begriff der Nachhaltigkeit ist vielfach beschrieben, mit den drei Pfeilern Umwelt, Soziales und Wirtschaft und den Nachhaltigkeitszielen der Agenda 20301 . Diese Pfeiler sind jedoch keineswegs gleichberichtigt und die Nachhaltigkeit ergibt sich nicht aus der Schnittmenge der 3 Themen, wie oft dargestellt (Schema links). In neueren Darstellungen werden Umwelt, Soziales und Wirtschaft eher als eingebettete Kreise gargestellt (Schemarechts). In einer nachhaltigen Entwicklung geschieht die Wertschöpfung der Wirtschaft im Dienste der ganzen Gesellschaft und die Gesellschaft muss in den Grenzen der Ökosysteme funktionieren, von denen ihr Überleben abhängt. 

Definitionen der Nachhaltigkeit
Verschiedene Darstellungen der Nachhaltigkeit ( Grafik angepasst nach Green economics )

Die gleichen Überlegungen sollten natürlich auch In Bezug auf Bauen und Renovieren gelten. Nun ist es aber so, dass der innere Kreis der Ökonomie die Entscheidungen beim Bau und Renovieren oft weitestgehend bestimmt. Der Kauf oder Bau einer Immobilie ist für den Durchschnittsbürger oder -bürgerin ein wirtschaftlicher Kraftakt, er oder sie müssen für das Bedürfnis „Bauen und Wohnen“ einen großen Teil ihres Einkommens aufbringen, in Form von Miete oder Schuldrückzahlungen. Aber auch ein Immobilieninvestor geht seiner Tätigkeit nach mit dem Ziel, eine möglichst große Rendite zu erwirtschaften.

Hinzu kommt, dass der Bau oder die Renovation eines Gebäudes ein langwieriger Prozess ist, bei dem viele Akteure mitwirken und komplizierte Entscheidungen getroffen werden müssen. Neben ästhetischen, bautechnischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten sowie Vorgaben zu Energieeffizienz oder Bauweise (aus staatlichen oder kommunalen Verordnungen) sollen nun auch noch Aspekte einer nachhaltigen Bauweise und Materialwahl nach baubiologischen (Auswirkungen auf den Menschen) und bauökologischen (Auswirkungen auf die Umwelt) Kriterien in die Planung einfließen? Diese Entscheidungen gehen oft weit über das Verständnis oder Fassungsvermögen des einzelnen Akteurs hinaus. Zudem muss lokalen Bedingungen Rechnung getragen werden und der zu berücksichtigende Zeithorizont umfasst mit dem ganzen Nutzungszyklus des Gebäudes, also viele Jahrzehnte. Ist das Geld knapp oder der Anspruch an Rendite hoch, prämieren wirtschaftliche Überlegungen, auf Kosten bspw. von familiengerechten und gesunden Wohnungen oder umweltverträglichen Baumaterialien.

„Nachhaltige“ Entscheidungen, also Entscheidungen, welchen den 3 Dimensionen Umwelt, Soziales UND Wirtschaft gerecht werden, sind also in diesem Kontext bei weitem nicht selbstverständlich. Das Wissensportal noba will hier Hilfestellung leisten und die wichtigsten Stellschrauben und vor allem auch neuen Entwicklungen erklären. Angesichts der Komplexität ist noba allerdings auch nur Werkzeug in einem größeren Baukasten, es liefert keine fertigen Rezepte, sondern verlangt Eigenverantwortung und Initiative. Auf die weiteren, komplementären Werkzeuge und Akteure des nachhaltigen Bauens wird an den entsprechenden Stellen verwiesen.  

Kreislauffähiges vs nachhaltiges Bauen?

In unserem Verständnis ist kreislauffähiges oder zirkuläres Bauen ein wichtiger Baustein des nachhaltigen Bauens, welcher jedoch spezifisch auf die Bewirtschaftung der Material- und Produktlager und –Ströme abzielt. Zirkuläres Bauen strebt eine effizientere Nutzung der Baumaterialien und –produkte an, im Sinne von weniger Material für den gleichen Nutzen oder mehr Nutzen beim gleichen Materialaufwand, bspw. eine bessere Raumnutzung über „sharing“ Modelle für Flächen. Es bedeutet aber auch modulare und rückbaubare Gebäude, um Ressourcen (Material, Produkte, Gebäudeteile) möglichst lange zu nutzen, resp. in zweite und dritte Nutzung oder eine Kaskadennutzung überführen zu können, siehe hierzu auch die Definition der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB).

Im Sinne des zirkulären Bauens setzen sich die Akteure der Bau- und Immobilienwirtschaft (1) mit dem Erhalt, der Aufwertung und der Aktivierung des Gebäudebestands auseinander (2), nehmen sie diesen als wertvolle Materialquelle und als Lager wahr und nutzen vorhandene Materialströme und Werte. Darüber hinaus (3) ermöglichen sie eine langfristige Nutzung und zukünftige Verwendung in geschlossenen Kreisläufen, so dass über den gesamten Lebenszyklus kein Abfall entsteht. Unter der Berücksichtigung von ökologischen und gesundheitlichen Aspekten fördern sie damit den Erhalt oder eine Steigerung der Qualitäten und ökonomischen Werte von Quartieren, Gebäuden, Bauprodukten und Materialien.

Der Organisation von Material- und Produktlagern und –Strömen entlang den Wertschöpfungsketten wird hierbei mindestens ebensoviel, wenn nicht mehr Bedeutung beigemessen wie dem Endprodukt „Gebäude“ selbst. Die Kreislaufwirtschaft agiert in erster Linie im zentralen Kreis der „Ökonomie“ im eingebetteten Modell der Nachhaltigkeit, mit positiven sozialen und ökologischen Auswirkungen, wenn als Instrument richtig eingesetzt.

Ähnlich der nachhaltigen Entwicklung sollte das nachhaltige Bauen hingegen so verstanden werden, dass ihm nicht nur Bewirtschaftungsmodelle zugrunde liegen, welche Ressourcenverbrauch und Verschmutzung möglichst reduzieren, sondern daß auch soziale und übergeordnete ökologische Ziele einfließen, wie intergenerationelle und soziale Gerechtigkeit oder Förderung der Biodiversität. Zirkuläres Bauen ist in dem Sinne ein Werkzeug für mehr Nachhaltigkeit im Bau: ein modular gebautes Gebäude erlaubt es eher, das Gebäude an die Bedürfnisse mehrerer Generationen anzupassen als ein nicht modulares Gebäude (soziale Komponente). Ein Stahlträger, welcher wiederverwendet werden kann, muss nicht zuerst als Schrott eingeschmolzen und neu gewalzt werden, was zu einer erheblichen Einsparung an Energie führt und somit dem Klimaschutz dient (ökologische Komponente).

Kreislauffähiges Bauen“ ist ein wichtiges Werkzeug für die Nachhaltigkeit im Bausektor. Es kann helfen, Nachhaltigkeitsziele zu erreichen, welche sich in erster Linie auf Materiallager und –ströme beziehen.